Der alte Kirchenhahn

„Klar“, denken die meisten Leute: ein Hahn auf dem Kirchturm-Dach gibt an, dass es sich um eine reformierte Kirche handelt, und ein Kreuz zuoberst zeigt, dass dies eine katholische Kirche ist.“

Stimmt meist, aber nicht immer. Denn die erste schriftliche Erwähnung eines sogenannten Wetterhahnes stammt aus Brescia, und datiert vom Jahr 820: damals - als die Reformation noch weit entfernt war – hat ein (natürlich) katholischer Bischof die Schaffung, d.h. Giessung eines bronzenen Hahnes veranlasst und diesen dann auf „seinem“ Kirchendach anbringen lassen – als Wetterhahn eben, d.h. als Windrichtungsgeber. Interessanterweise hat sich dann aber der Hahn gut 700 Jahre später vor allem auf dem Dach reformierter Kirchen durchgesetzt und wurde auf katholischen Kirchen vom Kreuz verdrängt bzw. fand als Windrichtungsgeber keine weitere Verbreitung und Verwendung.

Ob man wirklich weiss, weshalb das so ist?...weshalb katholische Kirchen auf „hahnische Wetterfahnen“ verzichten können und reformierte offenbar weniger oder gar nicht? Oder sucht man einfach dem italienischen Sprichwort gemäss „se non è vero è ben trovato“ nach witzigen oder einleuchtenden Deutungen? Wie auch immer…, mögliche Erklärungen für das Phänomen „Hahn-auf-reformiertem-Kirchdach“ lauten so:

Der Hahn ist seit uralten Zeiten wegen seines feuerroten Kammes und seines frühmorgendlichen Schreis Sonnen- und Lichtsymbol. Das zwischen Tag und Nacht unterscheidende Tier wurde zum Grenzwächter ins Jenseits (bei den Germanen) und im Christentum Symbol der Überwindung des Todesschlafes. Denn: So wie der Hahn mit seinem Ruf das Ende der Nacht und den Beginn des Tages verkündet und die Menschen aufweckt, so besiegt Christus nach diesen Interpretationen die Nacht der Sünde und des Todes und erweckt den Menschen zum christlichen Glauben und zum ewigen Leben. So wurde der Hahn im christlichen Sinne Symbol der Wachsamkeit und Bote des wahren Lichtes (= Christus), also zum Christussymbol schlechthin; - und zusätzlich auch zum Symbol für den reuigen Sünder.

Erinnern Sie sich an die Geschichte mit Petrus und dem Hahn? Als Jesus nach dem letzten Mahl mit seinen Jüngern Petrus prophezeihte, dass er ihn noch in dieser Nacht, bevor der Hähn kräht, dreimal verleugnen und behaupten werde, ihn (Jesu) nicht zu kennen, was Petrus vehement zurückwies…? Und so geschah es auch: nach der Verhaftung Jesu wird Petrus von verschiedenen Leuten als Anhänger Jesu wieder erkannt – er jedoch streitet dreimal ab, diesen Mann nur zu kennen und lässt sich sogar zum Schwören hinreissen. „In diesem Augenblick krähte ein Hahn, und Petrus erinnerte sich daran, dass Jesus ihm gesaat hatte: bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen und behaupten, dass du mich nicht kennst“ (Matthäus-Evangelium Kap. 26, Verse 74+75). Petrus soll sich danach bis in Grund und Boden geschämt haben und von da an bis zu seinem Märtyrertod den neuen Glauben verkündet haben. So wurde der Hahn zum Symbol des reuigen Sünders und zur Mahnung, sich nicht nach dem Wind zu richten, sondern wie Petrus in seinem weiteren Leben dem christlichen Glauben treu zu folgen.

Und offenbar ist vor allem dieses symbolische Verständnis des Hahnes als Christussymbol einerseits und Mahnung zur Wachsamkeit und Gradlinigkeit andrerseits vor allem in protestantischen Gemeinden auf fruchtbareren Boden (bzw. Dächer) gefallen und hat dazu geführt, dieses Symbol-Tier mit dem Nützlichkeitsauftrag „Windfahne“ zu versehen, auf die Dächer zu setzen, und so faktisch zur äusserlichen Kennzeichnung von evangelischen Kirchen zu verwenden dass von weither sichtbar ist, „woher hier der Wind weht“…. Voilà.

Bei der Bonstetter Kirche scheint dies aber lange nicht der Fall gewesen zu sein, denn ihr Turmdach wurde lange Jahrzehnte (oder sogar Jahrhunderte?) geschmückt von „echten“ Wetterfahnen: je eine kleinere am Süd- und Nordende des Daches und eine grössere in der Mitte.

Schliesslich wurde sie ja auch als katholische Kirche erbaut, und es scheint so, als sei das Bedürfnis nach einem Turmhahn erst bei der Gesamterneuerung der Kirche im Jahre 1954 „aufgekommen“.

Damals erhielt der Dorfschmied Bühlmann (heute Denner Satellit an der Dorfstrasse) den Auftrag, einen Wetterhahn als Zierde und „Mittelpunkt“ des Dachschmuckes der refomierten Kirche zu schmieden. Dieser Hahn wurde -31-jährig bei der Dachrenovation 1985 „quasi-pensioniert“ und durch einen neuen, von Kunstschmied Oskar Hedinger gestalteten, ersetzt. Der „pensionierte Hahn“ gelangte via Oskar Hedinger zu den Herren Oswald Joss, Alfred Eggler und Jürg Kramer, die im Auftrag der Gemeinde Bonstetten Antiquitäten restaurieren und für ein noch zu schaffendes Dorfmuseum bereit-stellen. Seit kurzem erstrahlt der alte „Bühlmann-Hahn“ wieder in altem Glanz, zu dem ihm die oben erwähnten Handwerker mit ihrem Können verholfen haben! Nun könnte er (irgendwo?) wieder symbolisch zu Wachsamkeit und Gradlinigkeit rufen und als Christussymbol leuchten – stabil auf dem von Oskar Hedinger geschmiedeten stabilen „Fuss“ stehend!... wer weiss….

Herzlichen Dank den Handwerkern für ihre „Rettung“ und Auffrischung des alten Kirchenhahnes!

                         Susanne Sauder

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