Der Semperturm

Der Semperturm

Unsere Kirche erhielt einen Turm, gezeichnet von Gottfried Semper

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Um 1800 unterschied sich Affolterns Kirche mit ihrem Käsbissenturm kaum von anderen Kirchen im Säuliamt. Als aber die Kirchgemeinde beschloss, ein neues, harmonisches Glockengeläute anzuschaffen, musste auch der Turm erneuert werden. Die Baukommission stellte sich etwas Besonderes vor. Es wurden fünf verschiedene Entwürfe begutachtet, die aber allesamt nicht zu befriedigen vermochten. So wandte sich Pfarrer Denzler im Juli 1860 an den weltberühmten Architekten Gottfried Semper, der damals am Zürcher Polytechnikum lehrte. Dieser schickte bereits eine Woche später einen Entwurf nach Affoltern, der auf Anhieb Zustimmung fand. Der bestehende Turm, dessen Grundsubstanz bis ins 15. Jahrhundert zurückgeht, blieb erhalten. Nur der obere Teil musste neu erbaut und erweitert werden. Die alten Glocken wurden eingeschmolzen und ins neue Geläute integriert. So erhielt Affoltern einen Turm, der nicht nur zum Markenzeichen der Kirche, sondern auch zu einem Wahrzeichen des Bezirkshauptorts geworden ist. Am 20. Oktober 1861 wurde der markante Semperturm mitsamt den neuen Glocken festlich eingeweiht.

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Der Semperturm macht unsere Kirche so berühmt, dass ihr eine 50-köpfige Reisegruppe ganz bewusst einen Besuch abstattet? Kürzlich so geschehen mit Voranmeldung, und geplant von langer Hand. Die Gruppe kam aus Dresden und zwar des Turmes wegen. Mitglieder des Gottfried-Semper-Clubs verbrachten einige Tage in Zürich, wo der hochgeachtete Baumeister während 16 Jahren gelebt, gelehrt, gebaut und das Stadtbild mitgeprägt hat. Von ihm stammen unter anderem die Sternwarte und das Polytechnikum. Schon zuvor hatte sich Semper in Dresden mit dem Bau der berühmten Oper einen Namen gemacht. Nachdem er sich aber im Mai 1849 am sozialen Aufstand beteiligt hatte und als Erbauer von Strassenbarikaden steckbrieflich gesucht wurde, musste er die Flucht ergreifen. Er kam 1855 als Asylant nach Zürich und wurde vom Bundesrat zum Professor an der ETH auf Lebenszeit gewählt. Da er aber die schweizerischen Verhältnisse immer als etwas eng empfand, nahm der 1803 geborene Semper mit 68 Jahren einen Ruf nach Wien an, wo er die Hofburg, das Hofmuseum und das Burgtheater gestaltete. 1879 starb der berühmte Zeitgenosse von Richard Wagner und Gottfried Keller, die beide zu seinem Freundeskreis gehörten, im Alter von 76 Jahren in Rom.
Semper gilt als einer der bedeutendsten Architekten des 19. Jahrhunderts. Stilistisch war er der Neurenaissance verpflichtet. Ebenso wichtig war ihm jedoch die Echtheit des Materials und der Zweck eines Gebäudes. Mit dem Turmaufbau in Affoltern ist es ihm gelungen, dem Bestehenden einen neuen Akzent zu geben. Er hat es ausgezeichnet verstanden, das Alte mit dem Neuen zu verbinden. Und darum geht es doch in der Kirche überhaupt: Es gilt immer wieder, die alte Botschaft in eine neue Zeit zu übertragen und in der Gegenwart glaubwürdig zu bezeugen. Dies scheint für die Einwohnerschaft von Affoltern eine Ehrensache zu sein. Jedenfalls erhielt der Erbauer des zukunftsweisenden Turms im Jahr 1861 das Ehrenbürgerrecht.

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