Laienpredigt von Hieljke und Jan-Derk Smit am Gemeindesonntag vom 5. September 2010

Die Schöpfung als Kreislauf - sie ist uns anvertraut

Laienpredigt von Hieljke und Jan-Derk Smit am Gemeindesonntag vom 5. September 2010

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Laienpredigt von Hieljke und Jan-Derk Smit am Gemeindesonntag vom 5. September 2010

hvh (vorgetragen von Hielkje Smit)
Liebi Gmeind
Im Juli stand im „Chilefäischter“ folgende Aussage von Vincent van Gogh : „ Wandlung ist notwendig wie die Erneuerung der Blätter im Frühling“. Als Beobachter und Maler von Natur und Mensch hat er uns viele Werke hinterlassen. Seine Malkunst hat sich im Laufe seiner Karriere entwickelt vom damals traditionellen Stil in etwas Neues. Van Gogh war Wegbereiter, gar Schöpfer einer neuen Kunstepoche, dem „ Expressionismus". Er zeigt uns die Schöpfung durch andere Augen. Heute zeigen uns die modernen Künstler die Welt wieder in einer anderen Art und Weise. Hat sich die Welt selbst so verändert oder ist es unsere Wahrnehmung, die sich verändert hat? Nachfolgend unsere Gedanken zum Thema: „Die Schöpfung als Kreislauf – Sie ist uns anvertraut“.

jds (vorgetragen von Jan-DerkSmit)
Die Grundlage der Kirche ist die Bibel. Sie beginnt mit der Schöpfungsgeschichte: „Und die Erde war wüst und öde, und Finsternis lag auf der Urflut, und der Geist Gottes bewegte sich über dem Wasser“ (Gen. 1, 2).
Wüst und leer war die Erde, als Gott mit dem Einrichten der Welt in sieben Tagen begann. Es gab also Nichts, nur Finsternis und Chaos (griechisch: das Durcheinander, das Aufgelöst sein von aller Ordnung). Aus diesem Tohuwabohu, das hebräische Wort für „wüst und leer“, aus diesem Chaos, aus dem Nichts, schuf Gott eine geordnete Welt. Aus dem Nichts und den Schwankungen des Chaos entstand unsere Welt. Laut der Schöpfungsgeschichte trennt er, Gott, aus dem Nichts hell und dunkel, fest und flüssig, Tod und Leben, Kraut und Tier, Mann und Frau. Dann hat Gott uns die Welt in ihrer ganzen Vielfalt überlassen, denn nach Genesis 1, 26 soll der Mensch herrschen über alles, über die ganze Schöpfung.

hvh
„Herrschen“ und „Untertan“ geben mir immer ein Gefühl von „Macht und Unterdrückung“. Bei genauerer Betrachtung heisst herrschen aber auch verwalten (denn nach der zweiten Schöpfungsgeschichte „nahm Gott den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaute und bewahrte“ (Gen. 2, 15) was bedeuten könnte, dass wir Menschen die Verantwortung für die Erde tragen. So, wie ein Bauer, der seinen Acker bestellt und seine Tiere liebevoll hält, zum Wohle aller. Dieses „Herrschen“ ist eher ein „Bewahren“, ein „Verwalten“ von Gottes Schöpfung. Somit ist das Wesentliche des Herrschens die treuhänderische Verwaltung der Erde. Im bäuerlichen Jahresablauf heisst dies Säen, Wachsen, Ernten und Pflügen als Vorbereitung für den nächsten Durchgang des Kreislaufes. Dabei diktiert die Natur Ruhe und abwarten, bis ein Erzeugnis gereift und geniessbar ist.

jds
Statt „Herrschen“ im Sinne von unterjochen, Untertan machen, wandelt sich dieses Wort somit zu ,in Obhut nehmen’, zum bewahren der Vielfalt der Schöpfung, zum schützen des Schwächeren, zum Bild des guten Herrschers – zum Bild des guten Hirten. Hier steht ein aktuelles Problem an, denn nach Genesis 1, 28 hat der Mensch den göttlichen Auftrag, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Ist dies aber vereinbar mit die Rolle des Menschen als Bewahrer und Behüter der Schöpfung? Lässt eine Monokultur ‚Mensch’ überhaupt noch Platz für den göttlichen Hauptauftrag, d.h. die Bewahrung der Schöpfung? Schauen wir uns doch dieses Dilemma zwischen ungezügeltem Vermehren des Menschen und seinem Auftrag zum Bewahren der Schöpfung etwas genauer an:

hvh
Unsere immer längere Lebenserwartung, die Industrialisierung und hohe Geburtsraten zwingen uns dazu, grossflächig Korn anzubauen, viel Dünger zu benutzen und Pestizide einzusetzen, um so viele Kilos Nahrungsmittel wie nur möglich pro Hektare Kulturland zu ergattern. Durch Monokulturen entziehen wir die Natur Flächen für Kulturland und schmälern so den Lebensraum der Tiere und der Pflanzen. Darum verschwinden bestimmte Pflanzen- und Tierarten. Haben Sie es übrigens auch gelesen? Nacktwanderer gibt es in Zürichs Gärten. Nicht nur in den Appenzeller Bergen, nein auch in Zürichs Gärten. Auch wir hatten schon festgestellt, dass unser Garten von Heerscharen von braunen Schnecken heimgesucht wird. Früher gab es nur einheimische, schwarze Nacktschnecken. Die braunen Nacktschnecken kommen ursprünglich aus Spanien. Sie wurden vermutlich mit importierten Zimmerpflanzen eingeschleppt und verdrängen jetzt unsere einheimische schwarze Nacktschnecke. Jetzt scheint es, dass die Nacktschnecken, welche eigentlich am liebsten nur tote Gartenabfälle verzehren, neuerdings auch unsere langweiligen, geschmacksarmen Salate lieben, denn: viele Gemüsesorten sind so gezüchtet, dass sie nicht mehr bitter schmecken. Unsere Schnecken aber empfinden diese Nutzpflanzen, woran nichts mehr bitter und zäh ist, als abgestorben! Und wir – wir würzen sie wieder auf unseren Tellern nach unserem Geschmack! Ist das noch Natur?
 
jds Wir Menschen beanspruchen immer mehr Platz auf Erden. Platz, der anderem Leben nicht mehr zur Verfügung steht. Der Artenreichtum der Erde schwindet rasant als Folge unserer Raumansprüche. Jeden Tag sterben schätzungsweise rund 60 Organismen unwiderruflich aus. Damit gefährden wir die Vielfalt und die Stabilität der Schöpfung. Wenn wir der Biodiversität, der Vielfalt des Lebens auf dieser Erde, nicht gebührend Platz einräumen, haben wir in unserem göttlichen Auftrag als Herrscher über alles Leben, als Bewahrer und Behüter der Schöpfung, versagt! Und nicht nur das!
Könnten sogar wir selbst, der Mensch, am Ende und als Folge dieser schwindenden Vielfalt selber vom Aussterben bedroht sein? Wir denken ja. Wir würden uns selber wie ehemals die Dinosaurier, nahtlos im Kreislauf des Werdens, des Wachsens und des wieder Vergehens einordnen. Müssen wir darum nicht in Kreisläufen denken? Denn: Kreisläufe erlauben steten Wandel, sind aber im Verbund stabil.
In der Biologie entsteht Stabilität durch das Neben- und Durcheinander vieler kleiner paralleler Kreisläufe, die einander gleichzeitig ergänzen und ersetzen können. Die vielfältigen Beziehungen zwischen den einzelnen Kreisen führen zu einem vernetzten Ganzen!!!: eben zur Schöpfung in all ihrer Vielfalt, in ihrem ganzen biologischen Reichtum. Dieses Geflecht der Biodiversität, die Schöpfung Gottes, ist stabil, selbst wenn mal ein Kreislauf ausfallen sollte. Hingegen sind grosse Einzelsysteme und auch Monokulturen sehr instabil. Hier lassen Dinosaurier und gewisse Wirtschaftskreise grüssen. Stabilität wird erreicht durch kleinschalige Vielfalt. Auf die Schöpfung bezogen heisst dies, Artenreichtum ist die Grundlage der Schöpfung.

hvh
Die Inkas in Südamerika hatten seit jeher mit Missernten zu kämpfen. Deshalb pflanzten sie für jede Ernte über 20 verschiedene Kartoffelsorten nebeneinander an. Dies aus der Erkenntnis heraus, dass der Wetterlage und dem Ungeziefer zum Trotz, sicher jedes Jahr auf Grund ihrer verschiedenen Eigenschaften fünf Sorten durchkommen und eine genügend grosse Ernte liefern. Darum sollten wir in Westeuropa dankbar sein, dass wieder vermehrt alte Sorten von Äpfeln, Getreiden und Gemüsen angepflanzt werden und so die Verschiedenheit / die Vielfalt unserer Nutzpflanzen erhalten bleibt.
Es darf und kann uns nicht egal sein, dass immer mehr Lebensarten von dieser Erde verschwinden. So bilden z.B. Bienen und Blumen einen gemeinsamen Kreislauf. Sie sind auf Gedeih und Verderb auf einander angewiesen. Erliegt der eine Teil dieses Kreises, so „trifft“ es unweigerlich auch die andere Hälfte. Oder anders gesagt: ohne Bienen keine Blumen und ohne Blumen keine Bienen. Eine „ödere“, eine „sorten-ärmere“ Welt entsteht. Wenn immer mehr Kreisläufe der Natur durch schwindende Biodiversität zum Erliegen kommen, wird die Schöpfung als Ganzes in Frage gestellt, UND.....am Ende steht die Gefährdung der – aus biblischer Sicht – Krone der Schöpfung, der Mensch selber. Denn auch wir sind Teil der Schöpfung. Aber, wir haben es selbst in der Hand, die Schöpfung zu behüten und damit auch uns selber zu bewahren!!

jds
Die Beispiele zeigen, dass Wandel zwar stet aber an sich nicht stabil sein muss, sondern dass Stabilität aus einer Vielzahl von vernetzten Kreisen entsteht. Deshalb, und nicht von ungefähr, beobachten wir überall um uns herum Kreisläufe.
Ein erster Kreislauf entstand durch die Schöpfungstat am ersten Tage. Es ist der Tageskreis, der fortwährende Wechsel zwischen Hell und Dunkel, die Schöpfung von Tag und Nacht.
Auch das Wasser dreht sich im Kreis: Aus Wolken fällt Regenwasser, welches die Flüsse füllt, zum Meer fliesst und dort, durch Verdunstung, wieder Wolken bildet, welches Regenwasser gibt usw.
Sogar Festes ist in einem Kreislauf eingebunden: Berge werden durch Erosion abgetragen, Flüsse transportieren die abgetragene Erde in Seen und Meere, wo sie absinkt, See- und Meeresböden erheben sich und bilden wiederum Berge.

hvh
Auch wir Menschen sind von Zyklen umgeben und in Kreisläufen eingebunden:
Wir sind aus Staub entstanden, leben, und werden dann wieder zu Staub.
Mann und Frau werden Eltern, ihre Kinder werden Mann und Frau, welche wiederum Eltern ihrer Kinder werden.
Menschen sind eingebunden in Familien und die Familienangehörigkeit ist ein wichtiger Stabilitätsfaktor im Lebenskreis. Innerhalb der Familie sorgt man für einander, sieht Möglichkeiten und Einschränkungen und möchte das Leben gerne unversehrt weiter geben. Das schliesst Ehrfurcht für und Rücksicht auf die Nachwelt ein.

jds
Auch Kunst kennt Kreisläufe. Längere Musikstücke kennen Themen, welche variiert und wiederholt werden. Der Bolero von Ravel ist das Paradebeispiel eines musikalischen „Wiederholungstäters“, eines musikalischen Kreises. Das immer gleiche Motiv wiederholt sich variantenreich bis zum Ende der Darbietung. Weil der Bolero für die Orgel ungeeignet ist, hören wir Musik von Johann Pachelbel.

hvh
Ein Geflecht aus vielen Kreisen ist das Rückgrat für die Stabilität der Schöpfung. Darum kann und darf uns einen schwindender Artenreichtum nicht gleichgültig sein, denn er schwächt die Schöpfung. Am Ende könnten wir sogar selber untergehen, weil wir über Gottes Schöpfung nicht in seinem Sinne herrschen, weil wir Seine Schöpfung nicht zu guter Treu verwaltet haben, sondern weil wir der Natur gegenüber egoistisch handeln.
So betrachtet ist der Verlust der Biodiversität eine Sünde. Er führt dazu, dass „die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt bis zum heutigen Tag“ (Römer 8,22).

jds
Dies bedeutetet, dass, wenn wir nicht bereit sind, im Einklang mit unseren natürlichen Ressourcen zu leben, die ganze Schöpfung, unsere Erde, ächzen und krächzen wird.
Nichts, ausser der Schöpfung, entsteht ganz neu, quasi aus dem Nichts; zugleich geht nichts unwiderruflich verloren, sondern alles wandelt sich. Von diesem Grundgesetz der Natur / Schöpfung „profitiert“ der Mensch, wenn er – z.B. seit der Antike – die Wasserkraft nutzt: In der Mühle fliesst das Wasser auf ein Wasserrad mit Schaufeln und treibt, über Achsen und Zahnräder, den Mühlstein an: aus Korn wird Mehl. Das Wasser verlässt dabei seinen Kreislauf (aus Wolken, Regen, Flüsse, Meer und wiederum Wolken) nicht. Der Mensch kann diesen natürlichen Kreislauf immer und immer wieder nutzen.

hvh
Wenn wir nach Gottes Gebot die Schöpfung, den natürlichen Reichtum der Erde, bewahren und behüten, könnten wir bereits auf Erden einen Garten Eden haben – was er einst auch war. Für dieses hiesiges Paradies auf Erden, müssen wir die Schöpfung in all ihrer Vielfalt, in ihrer Biodiversität, als stabiles Geflecht der ineinander greifenden Kreisläufe pflegen und respektieren. Genau das sollte uns darum in unserem ureigenen Interesse nicht all zu schwer fallen.

- - - Amen



Kollekte : Pro Specie Rara


Literatur




http://www.wwf.de/themen/artenschutz/bedrohte-tiere-und-pflanzen/
Derzeit zwischen 3 und 130 Arten pro Tag, d.h um das 100 bis 1000-fache über natürliche Rate.
Bedrohte Arten auf der Roten Liste: 1 von 3 Amphibien, 1 von 4 Säugetier- Nadelbaumarten, sowie 1 von 8 Vogelarten.

http://www.biodiversitaet2010.ch/

1. „Biodiversität belebt“,Umwelt, Heft 2/2010, Bundesamt für Umwelt, Bern, 2010
2. „Vielfalt – Geschenk Gottes, Arbeitsdokumentation Schöpfungszeit 2010“, oeku Kirche und Umwelt, Bern 2010
3. „Vielfalt – Geschenk Gottes, Schöpfungszeit 2010“, oeku Kirche und Umwelt, Bern, 2010
4. „Zauberwort Nachhaltigkeit“, Mathias Nick, vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, Zürich, 1997
5. „H2O – die blaue Kraft“, Horizonte Dezember 2008, Seite 34, Schweiz. National Fonds, Bern, 2008
6. „Gemeinsam können wir den Biodiversitätsverlust stoppen“, Schweiz. Vogelschutz SVS, Zürich, 2009
7. „Klimawandel – Den Worten Taten folgen lassen. Ein Anstoss aus sozialethischer Perspektive“, Schweizerische Nationalkommission Justitia und Pax, im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz, Béatrice Bowalt, Bern, 2009.
8. „Nacktwanderer in Zürichs Gärten. Wegen des vielen Regens und hoher Temperaturen haben sich Nacktschnecken explosionsartig vermehrt.“, Tagesanzeiger vom Montag, den 6.August 2010, Seite 16, Tamedia, Zürich, 2010.

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